Horsens (1863–1872)

 

Vor Frelsers Kirke (Postkarte 1907)

 

Am 20. März 1863 übernimmt Pfarrer Bang die Pfarrstelle an Vor Frelsers Kirke (Erlöserkirche) in Horsens. Damals war Horsens noch eine gemütliche Provinz- und Handelsstadt mit knapp 10 000 Einwohnern. Die Versetzung von Asserballe nach Horsens bedeutete jedoch für Pfarrer Bang arbeitsmäßig den Wechsel vom Dorf in die »Großstadt«. Seine geistvollen Predigten und seine Leutseligkeit machten ihn in der Stadt sehr beliebt; er gehörte bald zu den hervorragenden Persönlichkeiten der Stadt. Für den gerade sechsjährigen Herman war der Umzug bitter, da er sich in Horsens am Anfang einsam fühlte. Dies wurde erst mit seiner Einschulung im August 1866 besser. Die Kriegsgeschehnisse des deutsch-dänischen Krieges von 1864 beeindruckten das Kind tief: Am 11. März 1864 zog sich das dänische Heer aus Horsens zurück; in Bangs späterem Roman »Tine« spiegeln sich diese Erlebnisse wider.

 

(Bildrechte: Jan Østergaard, Horsens [www.horsensbilleder.dk])

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Altar in »Vor Frelsers Kirke«

 

(Bild: www.hvfk.dk [Horsens Vor Frelsers Sogns hjemmeside])

 

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Das Pfarrhaus in Søndergade 41 (Bild aus dem Jahr 2009)

 

Die Familie erhielt als Dienstwohnung den alten Schnapsbrennerhof in der Søndergade 41 (damals Søndergade 125). Die Wohnverhältnisse waren bedeutend schlechter als in Asserballe, da die Zimmer recht klein waren. Sein 6. bis 14. Lebensjahr verbrachte Herman Bang hier; diese Jahre prägten ihn stark. Ein Bruder stirbt im März 1864 im Alter von 10 Monaten an Keuchhusten. Bangs erste Kontakte mit dem Theater bahnten sich 1868 mit dem Theater in Horsens in »Jørgensens Hotel« an. Das letzte Jahr in Horsens wurde ein Jahr schlimmer Schicksale für Bang: Am 8. Februar 1871 stirbt seine innig geliebte Mutter Thora Bang an Tuberkulose; am 23. Oktober 1871 stirbt Oluf Bang (Hermans ältester Bruder) im Alter von 20 Jahren an Typhus; der Vater wird wegen seiner psychischen Erkrankung erneut in das St. Hans Hospital bei Roskilde eingewiesen.

 

(Bildrechte Jan Østergaard, Horsens [www.horsensbilleder.dk])

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Søndergade 41: Innenhof (heutige Ansicht)

 

Herman Bang freundete sich insbesondere mit Freundinnen der Mutter bald an. Cecilie Brøchner, eine Pfarrerstochter im Alter seiner Mutter, die im kleinsten Haus in der Nørregade 17 wohnte, gehörte bald zu seinem Freundeskreis. Ihr begegnen wir wieder in der Novelle »Das Fräulein« (Romane und Novellen 6, S. 265–270). Eine andere mütterliche Freundin war die greise Frau Etatsrat Holst, die auch in der Søndergade wohnte; sie hatte mit der des Landes verwiesenen Prinzessin Charlotte Frederikke, die im Palais am Markt gewohnt hatte, oft Whist gespielt. Frau Etatsrat Holst tritt in etlichen der Bangschen Novellen als Modell auf. Wenn sie Herman Bang aus der Schule kommen sah, schlug sie mit dem Stock an das Fenster; dann ging Bang zu ihr hinein, unterhielt sich mit ihr, und sie steckte ihm die eine oder andere Krone für eine Theaterkarte zu.

 

(Bildrechte: Jan Østergaard, Horsens [www.horsensbilleder.dk])

 

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Innenhof des Pfarrhauses, wie er etwa zur Zeit Bangs aussah (Postkarte, um 1935)

 

Die sechs Pfarrerskinder (ein siebtes war im Alter von 10 Monaten 1864 an Keuchhusten gestorben) spielten sicher oft in diesem Innenhof. Es war jedoch im Gegensatz zu Als ein schlechter Tausch; die Kinder waren an viel Natur und Auslauf gewöhnt. Deshalb gingen die Kinder oft in den Mitte der 1840er neu angelegten Park »Lunden«, um dort zu spielen. Herman Bang schildert ihn als »arm an Bäumen, an sechs Tagen der Woche verlassen und öde daliegend, während im Pavillon des Schützenvereins, wo es nach altem Toddy (einer Art Grog) und frischgescheuertem Boden roch, eine einsame, häkelnde Jungfer über den Tresen mit den sechs süßen Stückchen, die unter der Haube einer Käseglocke vor sich hintrockneten, wachte.«

 

(Bildrechte: Jan Østergaard, Horsens [www.horsensbilleder.dk])

 

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Theater in Jørgensens Hotel, Graven 5 (um 1911)

 

Herman Bangs Mutter war eine sehr kunstbeflissene Frau. Ihre Liebe zum Theater gab sie an ihren Sohn weiter, der 1868 – sehr zum Verdruß des Vaters – erste Kontakte zum Theater knüpfte. Es gab hier natürlich kein festes Ensemble, sondern wurde von verschiedensten Wandertruppen bespielt. Die Eindrücke, die Herman empfing, prägten ihn sein Leben lang und führten zu einer steilen Karriere als Regisseur in Kopenhagen, gastweise auch in Paris. Eine eigene angestrebte Schauspielerlaufbahn blieb ihm jedoch versagt: Im Oktober 1877 wird Bang beim Probevorsprechen im Königlichen Theater zu Kopenhagen abgewiesen. Damit war der Beruf des Schauspielers beendet. Einige spätere – zaghafte – Versuche scheiterten ebenfalls.

 

(Bildrechte: Jan Østergaard, Horsens [www.horsensbilleder.dk])

 

Asserballe

 

Tersløse